Donnerstag, 7. August 2014

Weil es in den Längen der kommentierten Wordpress-Blogs untergeht: Zitate aus den Tiefen der Vergangenheit

http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/09/19/der-fall-mollath-die-irrwege-der-psychiatrie-1/comment-page-2/

Fortsetzung von 
http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/09/06/der-fall-mollath-das-bundesverfassungsgericht-hat-gesprochen/

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 26.8.2013 zurecht einen Komplex in den Blick gerückt, der in der öffentlichen Diskussion in seiner Bedeutung für die Einweisung Gustl Mollaths in den Maßregelvollzug und für die über siebenjährige Aufrechterhaltung dieser Maßnahme noch nicht hinreichend gewürdigt wurde. Es ist die Psychiatrie und das psychiatrische Gutachterwesen.

Ohne deren Unterstützung hätten die Gerichte, angefangen mit dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 8.8.2006) über die auswärtige Vollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing bis hin zu der unseligen Kombination der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth und des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Bamberg Scheinlegitimität für Unterbringungsurteil und Fortdauerbeschlüsse niemals erlangen können.

Wenn fachliche „Expertise“ im Ergebnis mit den Verurteilungs- und Aufrechterhaltungswünschen voreingenommener Gerichte übereinstimmt, dann ist jedes Gutachten, auch ein schlechtes, recht. Dann sehen Richter nur dessen Ergebnis und schließen sich nach leerformelhafter „eigener kritischer Würdigung“ der ärztlichen an.

Paßt das Ergebnis einmal nicht, wie das des Mainkofener Psychiaters Dr. Hans Simmerl, der im Jahr 2007  im Rahmen eines Betreuungsgutachtens keinerlei psychische Erkrankung bei Herrn Mollath feststellen konnte, dann wird eine Koryphäe von außerhalb herbeigerufen, die sich in Bayern schon einmal erfreulich affirmativ betätigt hatte, nämlich 2002 im Fall „Peggy“. Die Rede ist von Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber, Berlin, der sich seinerzeit dazu bereitgefunden hatte, auf der Basis einer – wie ihm bekannt – eigens für ihn zusammengestellten polizeilichen Akte sein Fachgebiet zu überschreiten und das von dem geistig behinderten Ulvi Kulac ohne anwaltlichen Beistand angeblich abgelegte Geständnis, das lediglich als Vermerk eines Polizeibeamten vorlag, weil dummerweise das Tonbandgerät versagt hatte, für erlebensbasiert zu erklären. Dieses bereits im Ermittlungsverfahren widerrufene, in seinen nachprüfbaren Teilen falsche, Geständnis führte neben Kröbers Gutachten und einem viele Jahre später widerrufenen Polizeispitzelbericht eines Mitpatienten der Bayreuther Forensik zur Verurteilung wegen Mordes. Jeder aufgeklärte Bürger wußte, daß die Soko II die vom Innenminister Günther Beckstein angemahnte Aufgabe hatte, den Fall zur Beruhigung der Gemüter schnell zu klären, nachdem die Soko I zu keinem Ergebnis gekommen war. Da hielt man sich eben an einen Schwachen, der dem speziellen Befragensdruck nach der rechtsstaatlich fragwürdigen Reid-Methode nicht gewachsen war.

Näheren Aufschluß gibt das Buch: Der Fall Peggy. Die Geschichte eines Skandals, von Ina Jung und Christoph Lemmer, Droemer Verlag, München 2013. Auf den Seiten 154 – 161 wird das verhängnisvoll uninformierte Wirken von Prof. Kröber beschrieben, auf den Seiten 237 – 245 die von Günther Beckstein in Bayern in den Jahren 2001 – 2003 implementierte amerikanische Reid-Methode zur Erzeugung von Geständnissen, die im Fall Peggy durch die Polizei eingesetzt wurde.

Im Fall Mollath wurde Kröber seinem affirmativen Ruf, zugunsten der Staatsmacht zu wirken, wiederum gerecht und griff den Psychiater Dr. Simmerl ad hominem an, ohne auch nur mit einem einzigen Argument gegen dessen Gutachten aufzuwarten. Es ist nicht erstaunlich, daß nicht nur im Fall Mollath am 6.8.2013 die Wiederaufnahme angeordnet und Gustl Mollaths weitere Unterbringung ab 2011 für verfassungswidrig erklärt worden ist: auch im Fall Ulvi Kulac ist im April 2013 die Wiederaufnahme beantragt worden; bereits seit Mitte 2012 ermittelt die für das Wiederaufnahmeverfahren zuständige Staatsanwaltschaft Bayreuth wieder, und aktuell hat sie einen schon damals Verdächtigen im Visier, Peggy ermordet zu haben. Diese Spur war seinerzeit, trotz widerlegter falscher Alibis, nicht weiterverfolgt worden, nachdem ein anderweitiges Geständnis erwirkt worden war.
http://www.mz-web.de/mitteldeutschland/der-fall-peggy-spur-fuehrt-nach-halle,20641266,24197836.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/mordfall-peggy-knobloch-ermittler-folgen-neuer-spur-in-halle-a-920144.html
Soviel zur faktischen Bedeutung von Gutachten, wenn sie von einflußreichen und medial präsenten Vertretern ihres Fachs erstattet werden.

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