Donnerstag, 30. Juli 2020

Anstöße: Gut 100 Jahre bürgerliche Diskriminierung der Freien Liebe

Anstöße aus alter Zeit: 

Gut 100 Jahre bürgerliche Diskriminierung der Freien Liebe

 Am Monte Verità in der Schweiz ging es um die Wahrheit und das spießige Bürgertum, aus dem die meisten Besucherinnen ab 1900 bis zum Weltkrieg kamen, mit Ideen der Freien Liebe und der gesunden Natur, der Sonnenkultur (gegen die Korsett- und Kragen-Enge der bürgerlichen Normen) und dem aufregenden Ausdrucks- und Nackt-Tanz, der in allen Zeitung der Länder die Gemüter erhitzen konnte: 

Alkohol und Rauchen fehlte Erich Mühsam und Veganismus schreckte manche Lebe-Menschen wie Oskar Maria Graf, "frei-vermählt" nannten sich Liebende ohne Trauschein, in damals nicht zulässigen oder frei wechselnden Beziehungen.

An Hand einiger Biografien und vieler Briefe und Tagebücher lassen sich die Ideen und Auseinandersetzungen zu Beziehungen und Lebensformen jenseits der bürgerlich-religiösen Normen nachvollziehen, eine Reihe von Forschungen mit heutigem queeren Blick sind anzuregen:

Anarchistischer Vorreiter Michail Bakunin: Seine Kinder aus offener Ehe ...

Ist es richtig, ein Dreier-Verhältnis heute queer zu nennen, in dem nicht alle Sex miteinander haben?  ... Nach dem russischen Knast war ich nicht mehr der gleiche, aber ich hatte einen netten Mitarbeiter, der mit meiner Frau die Kinder hat, sich um sie kümmert, aber niemand, auch in dem damaligen anarchistischen Kreisen traut sich darüber zu sprechen: 

Im Schweizer Jura war der russische adelige Revolutionär in seinen alten Jahren eine Zentralfigur der Genossenschaftsbewegung geworden, nach einem Dissens oder Streit mit Marx, dessen Partei-Zentralismus er nicht mochte, waren seine Leute aus der Internationalen verdrängt worden ... 

wechselnde Beziehungen und bisexuelle Neigungen, kaum literarisch zu umschreiben in jener Zeit, ließ Erich Mühsam sein frühes Buch um die Bisexualität später gerne unerwähnt, die "frei-vermählten" sind nicht mehr erhältlich, auch kaum Reaktionen darauf.

Die spätere anständige Linke, früher einmal in Abtreibungs-Politik und Sexual-Aufklärung führend, beruhigte sich mit der schönen späteren Geschichte auf den Barrikaden und der Rolle von Zenzl Mühsam im Haushalt, als Schriftsteller-Gattin und Retterin seiner Tagebücher, nachdem er im KZ von den Nazis ermordet worden war. 

Ihre abenteuerliche Flucht nach Prag und Moskau, ihre Verurteilung im Stalinismus als Abweichlerin zu Straflager in Sibirien, bis sie später eine Altersruhe in der DDR fand, ist eine irre Biografie der Wirtstochter aus der Holledau geworden, mit einem Kind Siegfreid aus einer früheren Beziehung. 

Franziska zu Reventlow als "erste stolz auftretende Alleinerziehende" in München

Einerseits war sie in München bekannt wie ein bunter Hund, andererseits sehr oft pleite oder verschuldet, hatte Ideen zur Geldwirtschaft und kannte alle Maler*innen von "Wahnmoching", wie sie in ihren Schriften das verrückte Schwabing nannte, das nicht nur in Atelier- und Künstlerfesten brillierte, sondern auch in literarischen Salons die alltäglichen Nachrichten zwischen Aufrüstung, Adel, Betrug, altem König und fernem Kaiser, Kolonialkriegen und Kunstmarkt und Literatur-Verlagen austauschten.

Aus norddeutschem Adel stammend, lebte sie in München zwischen den Schichten, verfasste etliche Schriften und Bücher, und war um Anerkennung kämpfenden auch durchaus bürgerlichen Suffragetten in den Kämpfen um das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung eher ein Dorn im Auge?
Gustav Landauer

Gustav Landauer in "zweiter Ehe"

hatte vor seinem "Aufruf zum Sozialismus schon etliche Zeitschriften-Artikel und die Ideen zu größeren Lebens-Gemeinschaften verbreitet, war früher wegen Majestäts-Beleidigung ein gutes halbes Jahr im Knast: 

Seine erste Beziehung und Ehe überdauerte sein bewegtes Leben nicht, seine zweite Frau starb möglicherweise an der "spanischen Grippe", die international so genannt wurde, weil in der Kriegszeit bis 1918 nur in den spanischen Zeitungen davon berichtet worden war, um keiner anderen kriegsführenden Macht die eigenen Verluste einzugestehen.

Gemeinsam arbeiteten sie an Übersetzungen, an Vorträgen über Shakespeare, aber auch an den Schriften von Meister Eckehard.

Als er, nach ihrem Tod, statt eine Stelle als Dramaturg in Düsseldorf anzunehmen, dem Ruf von Kurt Eisner folgte, ihn in der Räteregierung in München und Bayern zu unterstützen, hatte er bald die Trauerrede nach dessen Ermordung zu halten, un die bürgerliche Presse hatte reichlich böse Lügen verbreitet, er wäre in Wirklichkeit ein ostjüdischer Galizier:

Dabei war der gebürtige Berliner schon jahrelang Mitarbeiter und Redakteur des wichtigsten SPD-Blattes "Vorwärts", schrieb früher viele Kulturkritiken und glaubte anfang des Krieges noch der Propaganda, die Russen hätten den Krieg angestiftet: 

Erst 1960 gab es in der "Fischer-Kontroverse" die Diskussion um die deutsche Kriegsschuld, erwiesen auch durch den Plan von 1907, durch Belgien in Frankreich einzufallen, die nach dem 1870/71er-Krieg errichtete Maginot-Linie zu umgehen, den Schlieffen-Plan. 

Im revolutionären Schlaglicht: Kurt Eisner und Gustav Landauer in "zweiter Ehe"

Die "anständige Bürgerlichkeit" kannte noch keine Scheidung, die als Scheitern ausgelegt wurde, sondern nur Durchhalten oder Krankheit, langfristiges Reisen, getrennte Haushalte oder notfalls Selbstmord der Frau, und geächtet wurde, wer keine "katholische Lösung" fand. 
Bad Homburg

Bürgerliche Familienbegriffe der "Zuverlässigkeit"gelten in konservativen Unternehmen bis heute

Bad Homburg, die alte kaiserliche Sommerfrische, eine Hochburg des deutschen Geldadels, genährt aus Erbschaften, Arisierung und Zwangsarbeit ...

Erpressung als alter Standard-Diskriminierung, Verschweigen, Missbrauch, Denunziation bis heute, Reaktions-Veränderungen in der "Presse"

Wie haben sich die Zeiten geändert? Den meisten reicht die Erinnerung bis zu den Gammlern und Hippies, 1968 als Schlagwort, schon vorher das Musical "Hair" zum Krieg in Vietnam, zu Umweltfragen, Polizeiwillkür (die berühmte Nackt-Szene war eine Aktion, der Polizei und Presse zu zeigen, dass die Demonstration unbewaffnet ist, entgegen aller Propaganda ... 

Dazu mögliche Exkurse

zu Oktober 1920 der Hakenkreuzler-Überfall auf Magnus Hirschfeld nach einem Vortrag in München, Veranstaltungen und Auseinandersetzungen im NS-Doku-Zentrum München, Geschichtsarbeit

Bisexualität als schnelle Ausrede, als möglicher Star-Rummel im Show-Geschäft, als "Phase" difamiert und eigene Identität verstehbar

Polyamor als Leben in Ehrlichkeit, mit Herz und Austausch, Selbsterforschung der Gefühle

Queer in der Sexualpädagogik: Anregungen und zukünftige Standards für die Aufklärung in Elternkreisen, Lehrerfortbildungen und Schulen

Selbstorganisierte Gruppen in allen Oberstufen anregen, begleiten und beraten, auswerten

Internationales Bewusstsein in Bewegungen und Kulturen anregen, Globales Lernen in Themen

Pluriversum und die Lebenskulturen vor der christlichen Kolonialisierung: Alternativen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen