Mittwoch, 10. Juni 2020

Otto Gross: PsychoPolitik

Politisches Bewusstsein und Psycho-Analyse seit 100 Jahren: Otto Gross

Vor gut 100 Jahren begann die Forschung an der Psyche, systematisiert durch Sigmund Freud und seinen Umkreis in Wien, der durchaus sehr politisch orientiert war, auch öffentliches Thema zu werden. Nach Anfeindungen aus der etablierten Ärzteschaft wurden Freud und die Kollegen in der Psychoanalytischen Gesellschaft vorsichtiger.

Otto Gross, Freund von Johannes Nohl und Erich Mühsam, der ihm eine Zeitschrift finanzieren wollte, war einer der hoffnungsvollen Schüler Freuds, der sich quer durch die Szenen bewegte und seine Forschung auch in den Cafehäusern in Schwabing und am Monte Verità betrieb, die Folgen der Freien Liebe bearbeitete und die Folgen des ärztlich fast üblichen Kokains zu entziehen versuchte.

Sein Vater, angesehener Kriminal-Jurist in Wien, ließ ihn 1913 in die Psychiatrie entführen, entmündigen und internieren, im Juli 1914 wurde er als genesen entlassen und arbeitete als Landsturm-Arzt. Ab 1915 war Gross Mitarbeiter der Zeitschrift Die freie Straße, zu der auch Max Herrmann-Neiße, Franz und Richard Oehring, Georg Schrimpf, Oskar Maria Graf und Elsa Schiemann beitrugen.

Otto Gross lieferte Beiträge für die Zeitschriften Die Erde und Das Forum, und er wechselte seine Wohnorte zwischen Graz, Wien und München. Im Oktober 1919 zog er nach Berlin, wo er bei Cläre und Franz Jung in Friedenau wohnte. Am 11. Februar 1920 wurde er unter Entzugssymptomen leidend in einem Durchgang zu einem Lagerhaus von Freunden – auch von Hans Walter Gruhle – aufgefunden und in eine Klinik nach Pankow gebracht, wo er zwei Tage später starb.

Politisches Bewusstsein war schon gut 50 Jahre vorher in den Kreisen der Studierenden erwacht: Die Ideen von Bakunin und Marx in der Diskussion, die Fragen der parlamentarischen Umsetzung des Sozialismus, während die Sozialdemokratie durch und gegen die Sozialisten-Gesetze und Gewerkschaftsverbote anwuchs.

Die Frauenbewegung und die vielen pazifistischen Gruppen kämpften um ihre Rechte: Während die meisten Dienstboten noch nicht lesen und schreiben konnten, verbreiteten Magazine und Zeitschriften trotz der Zensur die Ideen der Gleichberechtigung. Die Psycho-Analyse war durch die Ärzteschaft natürlich erst mal der Oberschicht vorbehalten, doch wuchs um so mehr die öffentliche Spekulation in den Zeitungen.

Ein erster früher Schwarz-Weiß-Film entstand: "NERVEN". Dramatisch beleuchtete er die Überreizung der angespannten Zeit, die Kämpfe der ArbeiterInnen und die Vorrechte der Besitzenden ...

„Otto Gross gehörte dem Kreis von Freuds abgefallenen Schülern an. Er stellte nicht die Sexualität, sondern deren Konfliktsmodelle (sic!) in das Zentrum der Psychoanalyse. Er war es, der die gesellschaftliche und politische Bedeutung der Psychoanalyse lange vor Wilhelm Reich in den Vordergrund gestellt hat. Er war der erste Gesellschaftskritiker unter den Psychoanalytikern.“[15]

Wilhelm Reich und die Gestalt-GründerInnen blieben an der politischen Spur, die bis zur Kritischen Psychologie auch die Kritische Theorie prägte, in vielen Ländern wichtiger als der dogmatische Marxismus.

Parallel wuchs aus der Lebensreform auch die Reform-Pädagogik, in jüdischen Internaten gepflegt, mit den Jugendlichen ausgewandert ...mühsam_johannes_nohl_raphael_friedeberg_in_ascona

Psycho-Politik könnte auch heute spannend sein, wenn gegen die Trauma der Anfeindungen und Ausgrenzung gemeinschaftlich gesprochen werden könnte. Wo? Anlaufpunkte und Ansätze sammeln …

Politisches Bewusstsein und Psycho-Analyse seit 100 Jahren: Otto Gross

Vor 100 Jahren begann die Forschung an der Psyche auch an die höchst "elektrisierte" Öffentlichkeit zu kommen. Die Bilder aus der physikalischen Forschung wurden schnell über die Zeitungen in die allgemeine Sprache übernommen.

Mesmer's Ausstrahlung

Mesmer hatte schon früher den Magnetismus um die elektische Spannung erforscht, und schnell wurde die Spannung auf die Menschen angewandt, als heilsame Wirkung versucht. Der Elektroschock ist uns in manchen Bereichen bis heute geblieben.

Magnetismus war nun für alle mesmerisierend: Das damalige Wort für elektrische Ausstrahlung des Körpers wurde später Aura genannt. Hypnose war als inszenierte Show auf der Bühne zu erleben, alle hatten plötzlich "Nerven", wenn auch nicht "wie Drahtseile": die Vorstellung, es waren "Melde-Drähte" wie bei der Bahn oder elektische Leitungen, die damals oft noch durchbrannten, bis die "Sicherungen" erfunden wurden.

Das Unterbewusste und die Behandlungsmethoden wie die "Redekur" auf der Couch, die Freud von Kollegen aufgegriffen hatte, bekamen alle möglichen Deutungen von außen, nur sehr selten von den Patienten selbst.

Otto Gross, Freund von Johannes Nohl und Erich Mühsam, der ihm eine Zeitschrift finanzieren wollte, war einer der hoffnungsvollen Schüler Freuds, der sich quer durch die Szenen bewegte und seine Forschung auch in den Cafehäusern in Schwabing und am Monte Verità betrieb, bevor er in die Folgen des ärztlich fast üblichen Morphins geriet. Mühsam besprach mit ihm seine Sorgen in der Liebe, wie er in seinen Tagebüchern schreibt und die Fragen der freien Liebe, bis er mit Zenzl etwas Halt, aber doch nie ganz die Ruhe fand.

"Am 26. und 27. April 1908 fand in Salzburg der 1. Psychoanalytische Kongress statt. Hier kam es zu einem wenig beachteten, aber folgenschweren Konflikt: Otto Gross, der sich als einer von wenigen Psychiatern schon seit Jahren öffentlich für Sigmund Freuds Lehre eingesetzt hatte, wollte in einem Vortrag gesellschaftspolitische Schlussfolgerungen aus ihr ziehen. Freud, der sich kurz zuvor in seiner Schrift Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität konträr geäußert hatte, setzte dem entgegen, dass dies nicht Aufgabe von Ärzten sei, und sorgte dafür, dass Gross aus der Psychoanalyse gedrängt und aus ihren Annalen getilgt wurde.[3] Einen ähnlich gelagerten Fall gab es in der Psychoanalyse nur noch einmal: den Ausschluss Wilhelm Reichs 1934.[4]"

Wilhelm Reich ging nach Berlin und baute die reichsweite Organisation SexPol auf, um zusammen mit den Frauengruppen gegen die Strafbarkeit der Abtreibung schon den Jugendlichen den Zugang zu Aufklärung und Verhütungsmitteln zu ermöglichen, nach moralischen Auseinandersetzungen mit der Kommunistischen Partei und Angriffen durch die anwachsende Macht der Nazis gingen die meisten Mitwirkenden wie Ernest Bornemann ins Ausland.

Die Gestalt-GründerInnen Fritz und Laura Perls arbeiteten in Berlin in der Marxistischen Arbeiterschule MASCH mit und blieben an der politischen Spur,bis sie sicherheitshalber nach Holland und dann Südafrika emigrierten. In den 1950er Jahren folgten sie einem Ruf von Paul Goodman, Lehrer und alternativer Zeitschriften-Autor, in die USA, gemeinsam mit dem Arzt Ralph Hefferline definierten sie das Grundkonzept der politischen Gestalt-Therapie.

GESTALT ist in den USA das Fremdwort, das als Synonym für Hippie-Therapie in Gruppen und als politisch bewusste Reflexion bis zur Kritischen Psychologie auch die Kritische Theorie prägte.

Parallel wuchs aus der Bewegung der Lebensreform auch die Reform-Pädagogik, in jüdischen Internaten gepflegt, mit den Jugendlichen ausgewandert ...

bisheriges:

Paul Goodman hatte mit Fritz Perls und Ralph Hefferline das Grundlagenwerk "Gestalttherapie" verfasst und war einer der schärfsten Kultur- und Schulkritiker der USA in den 60er Jahren: Growing up absurde, das Buch in deutsch erschienen als: Aufwachsen im Widerspruch. Über die Entfremdung der Jugend in der verwalteten Welt

  • das auch hier beeindruckte: Bis hierhin und darüber hinaus „Bis hierhin und darüber hinaus – Jugendhilfe zwischen politischer Anforderung und gesellschaftlicher Realität“ „Aufwachsen im Widerspruch – Jugendliche Lebenslagen angesichts ungewisser Zukunft“

QuellenOtto Gross

http://www.ottogrossgesellschaft.com

www.ottogross.de ist ein enorm reichhaltiges Wordpress-Blog mit vielen Quellen und Inhalten www.ottogross.de

https://ottogross.org/ war für einen russischen Kongreß 2017 und beinhaltet Bibliografien und einen Film und russische Links https://ottogross.org/

Wikipedia [ Otto Gross – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Gross]( Otto Gross – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Gross)

http://www.psyalpha.net/biografien/otto-gross

https://autismusjournal.wordpress.com/2018/06/01/autoritaet-und-autismus/ Otto Gross’ Einsamkeit als Vorarbeit der Revolution.

https://www.derstandard.de/story/2000080411649/pionier-kommune-monte-verita-nackt-in-der-sonne

Pionier-Kommune Monte Verità: Nackt in der Sonne

Vieles, was Kommunen der Siebzigerjahre ausmachte, war auf dem Monte Verità schon Praxis: Bewusste Ernährung, Körperkult und Naturnähe. Jetzt ist die Ausstellung über das Pionierprojekt wieder zugänglich Clarissa Stadler 26. Mai 2018 im Standard: https://www.derstandard.de/story/200008041

zukünftiges: www.raete-muenchen.de

www.plenum-R.org

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